Damazy und Wiktor Daroszewski – zwei Schicksale im 2. Weltkrieg

Damazy DaroszewskiGenealogie ist manchmal schwierig. Nicht nur, weil man die Lebensdaten unserer Vorfahren nicht finden kann, sondern vielmehr auch manchmal, weil man so viel über sie erfährt. Ich wusste, dass mein Vater Damazy Daroszewski während des zweiten Weltkrieges im Konzentrationslager  inhaftiert war, als Kind war das so ziemlich die einzige Information, die ich von ihm erhalten hatte. Erst Jahre nach seinem Tod konnte ich einen Teil dieser Geschichte nachvollziehen. Er hat Zeit seines Lebens nie mit seinen Kindern darüber sprechen können. Mein Cousin erzählte mir, dass sein Vater Wiktor ebenfalls nicht in der Lage war, irgendetwas über das Martyrium in Deutschland zu erzählen. Die Erlebnisse von Damazy, der in seiner deutschen Familie “Dani” genannt wurde und Wiktor müssen so schmerzhaft und traumatisierend gewesen sein, dass es unmöglich war, irgendetwas darüber zu erzählen. Bundesarchiv_Bild_183-J10854,_Ausländische_Arbeitskräfte,_Bekanntmachung_Kiew

Das nationalsozialistische Regime verfügte im besetzten Polen (und anderen besetzen Ländern) , dass alle Jugendlichen ab einem bestimmten Alter (welches, habe ich bis heute nicht feststellen können) Arbeitsdienst im Deutschen Reich zu verrichten hatten.Sie wurden ihren Familien entrissen. Aus meiner Familie betraf dass mindestens meinen Vater, meine Tante Martha, die direkt nach dem Krieg einen belgischeExcerpts from registration books - a) of the town Groß-Nordende - arrival dates: 1939 - 15.4.1943 n Kriegsgefangenen heiratete und nach Bruxelles übersiedelte und meinen Onkel Wiktor.

Aufgrund der Zwangsverpflichtung zum Arbeitsdienst traf Damazy am 21.02.1941 in Heist in Schleswig Holstein ein. Der Name des Landwirts, bei dem der erst 14 jährige schuften musste, ist ebenfalls genannt. Sein Bruder Wiktor durfte noch zwei Jahre in Polen leben, er traf am 06.03.1943 in Heist ein. Auch der Name dieses Landwirts wird vermerkt. Ob sich die beiden Brüder getroffen haben? Man weiß es nicht. Die Nachkommen der beiden damaligen Landwirte betreiben auch heute noch landwirtschaftliche Betriebe, sie liegen nicht weit auseinander.Pflichten_der_polen

Um es ganz klar auszudrücken: Die Nachkommen der Landwirte, die die Zwangsarbeiter beschäftigten, können nichts für die Zwangsarbeit auf den Höfen ihrer Großväter, ich mache ihnen keinen Schuldvorwurf!

Polnische Zwangsarbeiter wurden in allen Bereich der Wirtschaft im Deutschen Reich eingesetzt: In der Landwirtschaft, in der Industrie.

Schleswig Holstein „profitierte” nach Angaben von Wikipedia ( Wikipedia ), die sich auf die Angaben der Arbeiten von Nils Köhler und Sebastian Lehmann ( Lagerliste) stützen von 220.000 Zwangsarbeitern während des Krieges.

Mein Vater Damazy unterhielt während seiner Zeit der Zwangsarbeit ein Verhältnis zu einem 15 jährigen (also etwa gleichaltrigen) Mädchen. Nach späteren Aussagen meiner Mutter, zeigte ihn der Landwirt bei der GESTAPO an, er wurde am 02.04.1943 durch den Wachtmeister an die GESTAPO übergeben.

Mein Vater verließ also weniger als einen Monat, nachdem sein Bruder Wiktor angekommen war,  den Ort und wurde in Neumünster inhaftiert und dem Polenstrafvollzug zugeordnet. Das Strafgericht Neumünster ordnet an: ” Als Haftverschärfung ist auf hartes Lager zu erkennen”. Die GESTAPO Kiel ordnet am 17.03.1945 an, den Häftling am 22.03.1945 in das Konzentrationslager Neuengamme zu überführen.

Damazy wird in Sandbostel, einem Außenlager, inhaftiert und erkrankt an Typhus. Das Lager wird von britischen Truppen am 29.04.1945 befreit, es bietet sich ein grausames Bild: 14.000 Kriegsgefangene und 7.000 KZ Häftlinge sind hier inhaftiert.

Wären die Befreier später gekommen, hätte mein Vater nicht überlebt und seine Geschichte wäre nie erzählt worden. Er wäre einer von geschätzt etwa 1,9 Millionen nicht jüdischen polnischen Ermordeten gewesen. Etwa 3 Millionen seiner jüdischen Landsleute wurden ebenso von den Deutschen ermordet, zum großen Teil in einer Tötungsmaschinerie, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat.

Bei meinem Besuch in Wloclawek 2024 habe ich zahlreiche polnische Friedhöfe auf der Suche nach meinem Vorfahren und Verwandten besucht und auf vielen sah ich posthume Grabsteine von in Konzentrationslagern ermordeten polnischen Bürgerinnen und Bürgern. Nie wieder!

Ein letztes Wort noch zu Wiktor Daroszewski: Er verließ Heist am 30.05.1945 und lebte bis zu seinem Tod in Polen.

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